Wertschätzung online, Immobilienbewertung mit Gutachten: Eins wie das andere?

Den Wert einer Immobilie bestimmen zu können, um sie am Markt mit einiger Sicherheit zu veräußern oder zu erwerben, ist immer von Belang. Ein hohes Maß an Sicherheit bietet dafür in der Regel ein Gutachten. Entsprechend kann eine Online-Wertermittlung ein Gutachten nicht ersetzen. Je potenziell wertvoller das Objekt, je weitreichender die Entscheidung, desto mehr rückt die Sicherheit im Wert in den Vordergrund. Eine Immobilienbewertung zu nutzen, um den letztendlichen Verkaufspreis eines Hauses oder einer Eigentumswohnung möglichst positiv zu beeinflussen, ist da nur logisch. Gründe für eine sachliche Wertermittlung gibt es reichlich:

  • Zeitdruck, sodass Sie die Immobilie kaum oder nicht in Augenschein nehmen können
  • Zeitdruck beim Verkauf, sodass potenziellen Käufern ein hohes Maß an Sicherheit geboten werden soll
  • starke emotionale Beteiligung überschattet den Verkaufsprozess
  • Emotionalität oder Sentimentalität verzerrt einen marktrealistischen Blick auf die Immobilie
  • die Immobilie gehört zum Nachlass einer Person
  • die Immobilie muss wegen Scheidung verkauft werden
  • das Objekt ist eine Anlageimmobilie

Und selbstverständlich können durch eine Immobilienbewertung fremde Aussagen und Informationen validiert werden.

Immobilienbewertung ist alles

Denn der Begriff Immobilienbewertung steht erst einmal stellvertretend für verschiedene Methoden. Hinter einer Wertschätzung Ihres Eigenheims verbirgt sich bspw. ein umgangssprachlicher, unspezifischer Vorschlag, der ebenso von einer Person ohne relevantes Fachwissen gegeben werden kann. Bis ein tatsächlicher Verkaufspreis auf dieser Grundlage steuerrechtlich relevant würde, weil möglicherweise viel zu gering für die Immobilie, verginge einiges an Zeit. Der Niedrigpreis wäre zwar möglich, aber dann als (teilweise) Schenkung oder auch mit Besteuerung nach üblichem Verkehrswert.

Wertermittlung online

Die qualifizierte Aussage eines Maklers sollte es also auch zur Orientierung schon sein. An dieser Stelle, weil es für alle Beteiligten komfortabler und schneller ist, kommen Online-Wertermittlungen zum Einsatz. Teilweise kostenlos oder gegen einen Obolus können Bewertungen in nur wenigen Minuten erstellt und zur Verfügung gestellt werden. Bei der Online-Bewertung werden Eckdaten der Immobilie erfragt, zum Beispiel:

  • Bauart (Einfamilienhaus, Reihenhaus, Wohnung)
  • Wohnfläche und Zimmerzahl
  • Grundstücksgröße
  • Baujahr
  • Zustand und Ausstattung
  • Postleitzahl

Anhand dieser Daten wird mithilfe eines Algorithmus der Wert bestimmt. Mit dieser schriftlichen Grundlage ist ein erfolgreicher Verkauf oder Immobilienkauf schon realistischer. Zwei Dinge sind allerdings entscheidend:

  • Aufgrund der hohen Varianz an Vergleichsobjekten, deren Eigenschaften und unterschiedlicher Voraussetzungen für die Preisbildung in der Vergangenheit, können selbst mit sehr großen Datenmengen nur grobe Näherungen erreicht werden. Die Preisbestimmung in einem lokalen Immobilienmarkt ist komplexer.
  • Die Online-Wertermittlung ist nicht rechtlich belastbar und lässt sich daher für entscheidende Situationen nicht einsetzen.
Immobilienbesitzer kalkuliert Wert

Wertermittlung mit Gutachten

Zum Schärfen des eigenen Blicks auf den Immobilienwert und als Grundlage für eine Einordnung des Preises sind Online-Wertermittlungen durchaus geeignet. Vielleicht kommt Ihr regionaler Immobilienmakler aber auch für eine Offline-Wertermittlung vorbei. Denn die Wertermittlung online kann eine gute Basis für die Erstellung eines anerkannten Gutachtens sein.

Der persönliche Besuch vor Ort wird daher Pflicht, wenn für eine Immobilie eine Bewertung zur Erstellung eines Gutachtens vorgenommen werden soll. Ein öffentlich bestellter oder vereidigter Sachverständiger, Gutachter, Immobilienmakler befasst sich in diesem Fall mit den Kennwerten und Charakteristika der Immobilie. Der Prozess zur Erstellung dieses gerichtlich verwertbaren und anerkannten Gutachtens ist streng geregelt und formalisiert – bspw. durch § 194 BauBG oder die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). Daraus ergeben sich spezielle Bewertungsverfahren und Methoden. Sollten Sie also für eine Scheidung, einen Erbfall, einen Prozess gegen Finanzbehörden den Wert Ihrer Immobilie ermitteln müssen, wird ein Immobiliengutachten gebraucht.

Wertermittlung und weitere Gutachten

Die Beschreibung einer Immobilie, deren Zustand, bauliche und architektonische Einordnung und letztendlich die Bemessung eines Wertes oder Preises ist vielschichtig. Die Komplexität zwischen Gewerbeimmobilie, Wohneigentum und Grundstück kann weiter zunehmen, je mehr Abweichungen zu finden sind – bspw. historische Altlasten im Boden, Zuweisung des Denkmal-Status oder auch zur Ermittlung eines Mietwerts.

Auch hier ist die Immobilienbewertung mit Gutachten die beste Grundvoraussetzung. Dadurch kann bereits klar definiert werden, ob und welche weiteren Gutachten im Einzelfall erforderlich sein könnten. Schließlich geht’s ums Geld: bei den Gutachten und dem Immobilienwert. Für den individuellen Spezialfall sollten Sie sich mit einer Fachperson beratschlagen, falls Sie selbst über das Erstellen weiterer Gutachten entscheiden müssen. Oder Sie sind damit befasst, die Auflage eines Amtes oder einer anderen öffentlichen Instanz umzusetzen oder zu prüfen. Das Gegenüber kann selbstverständlich ebenfalls Gutachten anfertigen lassen. Zu den möglichen Kategorien und Themen gehören:

Wertbezogene Gutachten

  • Beleihungswertgutachten: Von Banken für Kreditvergabe nach § 16 PfandBG
  • Versicherungswertgutachten: Grundlage für die Versicherungssumme bei Wohngebäudeversicherungen.
  • Mietwertgutachten: Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete
  • Entschädigungsgutachten: Bei Enteignungen, Wegerechten oder Leitungsrechten

Technische Gutachten

  • Baugutachten/Bausubstanzgutachten: Prüfung von Bauzustand, Schäden, Mängeln
  • Schimmel- oder Feuchtigkeitsschadensgutachten: Spezial für Gesundheits- und Sanierungsfragen
  • Energie- und Wärmeschutzgutachten: Überprüfung der Energieeffizienz, auch Grundlage für Sanierungskonzepte. Verkehrssicherheitsgutachten, z. B. bei Einsturzgefahr oder für die öffentliche Sicherheit

Weitere spezialisierte Gutachten

  • Denkmalschutzgutachten: Feststellung von Auflagen und Wertminderungen/-steigerungen
  • Altlasten- oder Bodengutachten: Prüfung auf Kontamination, Altlastenverdacht
  • Schadstoffgutachten (Asbest, PCB, etc.): Für Sanierungen und Umbauten wichtig
  • Markt- und Standortgutachten: Besonders relevant für Gewerbeimmobilien, Projektentwicklungen
Gutachter erstellt Immobilienbewertung

Überblick – Formen der Immobilienbewertung

WertschätzungOnline-WertermittlungWertermittlung mit Gutachten (nach § 194 BauGB)
Fachliche VoraussetzungenKeine formalen Anforderungen; basiert auf Erfahrung.Algorithmen + Vergleichsdaten; keine Besichtigung.Sachverständiger, Normierte Verfahren
Steuerliche AspekteKeine steuerliche Relevanz, Finanzamt erkennt es nicht an, Nicht absetzbarSteuerlich ohne Wert, nicht absetzbarSteuerlich anerkannt (z. B. Erbschaft- und Schenkungsteuer, Betriebsvermögen), unter Umständen absetzbar: z. B. als Werbungskosten bei Vermietung, Betriebsausgabe bei Unternehmen oder im Rahmen von Erbauseinandersetzungen.
Finanzielle AspekteMeist kostenlos oder als Serviceleistung des MaklersKostenlos oder geringe GebührKostenpflichtig für Kurz- oder Vollgutachten
Rechtliche AspekteKeine Verbindlichkeit, nicht gerichtsverwertbarKeine rechtliche Bindung, nicht gerichtsverwertbarRechtlich belastbar, anerkannt bei Gericht, Finanzamt, Banken, Behörden
Anschluss weiterer GutachtenNicht üblich; höchstens ergänzend durch MaklerempfehlungKeine direkte Anbindung möglichMöglich und sinnvoll, andere Gutachten können integriert oder separat ergänzt werden

Schätzung, Wertermittlung online, Wertermittlung mit Gutachten: Haftung und Immobilienbewertung

Ein wesentlicher Unterschied in der Wertigkeit, Belastbarkeit und Verlässlichkeit der verschiedenen Einschätzungen ist in der Haftung zu finden. Eine so gewichtige Entscheidung wie die über eine Immobilie sollte in jedem Fall gut abgesichert sein. Das deutsche Recht untermauert diesen Umstand sehr deutlich – siehe BGB, Grundbuchordnung oder auch das BauGB.

Online-Wertermittlung

Online-Tools und Wertermittlungen, die online erstellt werden, sind zumeist über die AGB abgesichert. Die wesentlichen Regelungen dazu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und ggf. im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Zwar kann der Betreiber des Online-Tools per deliktischer Haftung schadenersatzpflichtig sein, doch in der Praxis wäre dies vermutlich kaum durchsetzbar, da es sich um eine Schätzung auf Grundlage weniger Rahmendaten handelt. Sollte ein Portal damit werben, dass es sich um ein „Gutachten“ handele, das „gerichtsfest“ sei, könnte dies laut UWG irreführend sein und verfolgt werden.

Eine informelle Wertschätzung durch einen Immobilienmakler zieht in aller Regel kaum Haftungsfolgen nach sich. Die rechtliche Durchsetzung wäre hier vermutlich schwierig. Beide Formen, Informationen zur Immobilie bereitzustellen, werden von Ämtern, öffentlichen Einrichtungen und Behörden nicht anerkannt.

Bewertung mit Gutachten

Das Gutachten dagegen, als Ergebnis einer Immobilienbewertung, erstellt von einem vereidigten und öffentlich bestellten Sachverständigen ist gerichtlich verwertbar. Es wird vom Finanzamt und anderen Behörden anerkannt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die öffentlichen Stellen nicht selbst Gutachten in Auftrag geben können – in der Praxis durchaus üblich. Aus dem Verwerten mehrerer Gutachten ergibt sich erst einmal kein Haftungsgrund – objektive Ergebnisfindung. Schwierig wird es jedoch, wenn der Gutachter beabsichtigt oder fahrlässig Sachverhalte unterschlägt oder falsch darstellt, weil sie hätten auffallen müssen oder bewusst unterschlagen wurden. Damit trägt der Sachverständige eine wesentliche Verantwortung, die versichert sein muss. Der Verkäufer kann nur haftbar gemacht werden, wenn er Sachverhalte arglistig verschweigt und der Gutachter sie bei der Erstellung des Gutachtens nicht einbeziehen konnte. Für Gutachter gelten ebenfalls Regelungen aus dem BGB, wie bspw. zur Erfüllung eines Werkvertrages, zur Sachmängelhaftung oder zur deliktischen Haftung. Zudem sind vereidigte Gutachter den Sachverständigenordnungen der IHK/HWK verpflichtet. Gegen Dritte besteht nur dann ein Haftungsrisiko, wenn der Gutachter Kenntnis von der Verwertung des Gutachtens durch diese Dritten hat.

Akten Rechtsfall Immobilienbewertung

Überblick – Haftung und Immobilienbewertung

WertschätzungOnline-WertermittlungImmobilienbewertung mit Gutachten
KäuferKeine rechtliche Haftung für die Richtigkeit. Käufer kann sich nicht darauf berufen, da es eine unverbindliche Einschätzung ist.Anbieter sichern sich fast immer durch AGB ab („unverbindlich, keine Gewähr“). Käufer hat keine Ansprüche.Gutachter haftet für sachliche Fehler im Gutachten. Käufer kann Schadensersatz verlangen, wenn er nachweislich aufgrund falscher Angaben im Gutachten einen finanziellen Schaden erleidet.
VerkäuferMakler kann im Extremfall haften, wenn er wissentlich falsche Angaben macht (arglistige Täuschung).Verkäufer kann sich nicht auf eine Haftung des Portals berufen; Werte sind Schätzungen.Auftraggeber (oft Verkäufer oder Erbe) hat Anspruch auf ein fachgerechtes, vollständiges Gutachten. Fehlerhafte Arbeit → Haftung des Gutachters.
DritteKeine Wirkung, Behörden erkennen es nicht an.Keine Anerkennung durch Behörden; keine Haftung des Anbieters.Behörden, Finanzamt, Gericht: Gutachten ist anerkannt. Wenn es grob fehlerhaft ist, kann der Gutachter sogar gerichtlich belangt werden (Berufs- und Vermögenshaftpflicht). Banken verlassen sich ebenfalls auf diese Gutachten.

Akkordeon Online vs. offline Immo-Bewertung